Automatisierte Ereigniserkennung für Stellwerke
1 Einführung
Stellwerke dienen der Sicherung und Steuerung des Bahnbetriebes. Mit fortschreitender Automatisierung und Zentralisierung dieser Anlagen wird es sinnvoll, Unregelmässigkeiten und Besonderheiten auch technisch zeitnah zu erkennen und die Aufmerksamkeit der Bediener auf diese zu richten, um entsprechende manuelle Maßnahmen zu ergreifen.
2 Konzept der Ereigniserkennung
Bei Stellwerken werden zwischen den Rechnern der Feldebene und den Rechnern der Sicherungsebene (IM) beständig die Zustandsänderungen von Feldelementen wie Belegungen von Gleisabschnitten übertragen.
Wird dieser Datenverkehr über TCP/IP abgewickelt, dann ist es möglich diese Daten auch an andere Rechner in paralell zu senden. Rechner zur Diagnose des Stellwerksystemes können diesen Datenverkehr protokollieren und besitzen zu jeder Zeit Informationen über die aktuellen Zustände der Feldelemente.
Diese Rechner können weitere, neue Aufgaben übernehmen und damit den Netzbetreibern eine neue Qualität und Funktionalität anbieten.
3 Betriebliche Sofortwarnungen
Betriebliche Sofortwarnungen werden als Nachrichten und Alarmmeldungen dem Fahrdienstleiter zur Kenntnis gebracht, damit dieser auf den kritischen Zustand reagieren kann.
Protokollrechner verfügen über eine Liste von Ereigniswechseln, z.B. dem Belegen eines bestimmten Gleisabschnittes, welche eine sofortige Verarbeitung von Informationen auslösen. Dazu ist jedem Ereigniswechsel ein Makro zugeordnet, welches bei der Feststellung des Ereigniswechsels abgearbeitet wird und ggf. eine betriebliche Sofortwarnung auslöst.
Diese Makros sind zur Erkennung bestimmter kritischer Ereignisse standardisiert.
3.1 Sofortwarnung „Überfahren eines Signals bei Halt“
Diese Warnung wird ausgelöst, wenn ein Zug oder eine Rangierfahrt ein Halt gebietendes Signal überfährt.
3.2 Sofortwarnung „Flankenfahrt“
Diese Warnung wird ausgelöst, wenn ein Zug oder eine Rangierfahrt in den Flankenschutzraum eines anderen Fahrzeuges gerät.
3.3 Sofortwarnung „Kritische Geschwindigkeitsüberschreitung“
Diese Warnung wird ausgelöst, wenn ein Fahrzeug einen Fahrwegabschnitt wie Weiche oder Gleisbogen mit einer wahrscheinlichen Geschwindigkeit befahren hat, wo von einer Entgleisung auszugehen ist.
3.4 Sofortwarnung „Weichenbelegung bei Umstellung“
Diese Warnung wird ausgelöst, wenn eine Weiche während eines Umstellprozesses von der Spitze befahren wurde und eine folgende Entgleisung wahrscheinlich ist.
4 Betriebliche Kontrollstatistik
Die betriebliche Kontrollstatistik nutzt die neuen Diagnose- und Protokollmöglichkeiten der elektronischen Stellwerke, um bahnbetriebliche Situationen zu erkennen, welche eine Gefährdungspotenzial oder ein Fehlverhalten von Lokführern oder Fahrdienstleitern darstellen.
Die auf den Protokollrechner gespeicherten Daten werden regelmäßig (aber nachträglich) einer Auswertung unterzogen. Dabei wird für jedes zu protokollierendes Ereignis ein Auswertemakro erstellt, welches die vorliegenden Daten über Änderungen von Zuständen der Feldelemente auswertet. Es wird der Ort des Auftretens und in einer weiteren Zusammenfassung die Häufigkeit in einer geografischen Abgrenzung bestimmt.
4.1 Ereignis „Rotanfahrt“
Jede Anfahrt eines Fahrzeuges auf ein Halt gebietendes Signal stellt eine grundsätzliche Möglichkeit eines Überfahrens dieses Signals dar. Deshalb werden diese Ereignisse bestimmt, um in der Fahrplanung ggf. diese Situationen zu vermeiden und um für eine Auswertung der Signalüberfahrten eine statistische Bezugsgröße zu erhalten.
4.2 Ereignis „Signalrückstellungen“
Die Fahrstraßenrücknahme wird protokolliert.
4.3 Ereignis „Bedienhandlungen mit Sicherheitsrelevanz“
Die Nutzung von ausgewählten Bedienhandlungen wie Hilfsbedienungen werden zu einer Auswertung mitprotokolliert. Diese Protokollierung ersetzt nicht die sicherheitsrelevante Zählpflicht, welche in paralell durch das Stellwerk oder die bedienoberfläche sicherheitsrelevant durchgeführt wird.
4.4 Ereignis „Geschwindigkeitsüberschreitung“
Den Fahrwegabschnitten sind zulässige fahrdienstliche Geschwindigkeiten zugeordnet. Aufgrund der Belegungszeiten wird plausibel kontrolliert, was die gefahrenen Geschwindigkeiten sind und wo Geschwindigkeiten schneller als zulässig festgestellt werden können.
5 Wartung und Diagnose der Sicherungsanlagen
Zur Erkennung und Verfolgung des Anlagenzustandes der Sicherungsanlagen werden die protokollierten Daten auch ausgewertet, um Informationen über den Anlagenzustand, insbesondere der Aussenanlagen zu erhalten.
Diese sind softwaretechnisch wie die bahnbetriebliche Kontrollstatistik ausgeführt, werden jedoch in einem separaten Modul geführt da diese Informationen für eine andere Zielgruppe relevant sind.
5.1 Ereignis „Weichenumlaufzeiten“
Die Weichenumlaufzeiten werden verfolgt, um bei sich verlängernden Umstellzeiten (Driftverhalten) sich anbahnende Störungen erkennen zu können.
5.2 Ereignis „Unzeitige Gleiskreisbelegung“
Es werden Gleiskreisbelegungen erkannt, die der „Logik“ nach her nicht möglich sein können und damit auf einen Fehler des Gleiskreises oder entsprechende Umweltbedingungen hinweisen.
6 Zusammenfassung
Die neuen Kommunikationsmöglichkeiten in den Stellwerken bieten weitreichende Informationen über Elementzustände, die zur Unterstützung der Automatisierung und Zentralisierung über die eigentlichen Aufgaben eines Stellwerkes hinaus ausgewertet werden können.
Mit einer Ereigniserkennung in Echtzeit können kritische Ereignisse erkannt und die Aufmerksamkeit des Bedieners darauf gelenkt werden.
Nachträgliche Ereigniserkennungen können zur Auswertung auftretender unerwünschter Betriebssituationen und von Informationen für die Instandhaltung genutzt werden
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen